Die jugendpastoralen Handlungsfelder stehen auf der Basis der Jugendpastoral in Deutschland und gehen von ihren Grundlagen und Zielen aus.
Diese ergeben sich aus „Ziele und Aufgaben kirchlicher Jugendarbeit“ von 1975 und den „Leitlinien zur Jugendpastoral“ von 1991 als Grundlagentexte, die bis heute Gültigkeit haben. Im Herbst 2021 hat die Deutsche Bischofskonferenz neue Leitlinien zur Jugendpastoral verabschiedet. Unter dem Titel "Wirklichkeit wahrnehmen, Chancen finden, Berufung wählen" entfalten die Leitlinien Orientierungen und Möglichkeiten einer Jugendpastoral in heutiger Gesellschaft.
Der Beschluss „Ziele und Aufgaben kirchlicher Jugendarbeit“ ist ein Dokument der Würzburger Synode von 1975. Die Gemeinsame Synode der Bistümer hatte zum Ziel, die Beschlüsse des II. Vatikanums für die deutsche Pastoral umzusetzen und zu verwirklichen. Das II. Vatikanum hatte sich als eines seiner Hauptziele die „Verheutigung“ von Kirche gesetzt – die Öffnung für die moderne Welt. Auf Jugendpastoral bezogen heißt Kirche in der Welt zu sein vor allem auch Kirche für und mit jungen Menschen zu sein. Sie haben Anteil am Gemeinsamen Priestertum der Gläubigen und Anteil an der Sendung der Kirche.
Die „Leitlinien zur Jugendpastoral“ der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz von 1991 entwickeln und schreiben diese Ergebnisse auf Basis des Synodenbeschlusses für die veränderte Situation nach der Wiedervereinigung in Deutschland weiter. Als Ziel von Jugendpastoral wird dort vor allem die Menschwerdung nach Gottes Bild beschrieben, welche unter den Aspekten christlicher Lebensdeutung ausdifferenziert wird. Als Handlungsperspektiven, um „in der Beziehung zu Gott, zum Nächsten, zur Schöpfung und zu sich selbst seine Identität zu finden“ (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Leitlinien zur Jugendpastoral, 13-14) werden Beispiele genannt, wie Jugendpastoral hilft, Beziehungsfähigkeit, Identitätsfindung, Freiheit in solidarischer Verantwortung, Beziehung zu Gott, partnerschaftliche Beziehung, Mitgestaltung der Welt, und als Perspektive Zukunft und Hoffnung zu lernen und zu gestalten.
Jugendpastoral hat die Subjektwerdung junger Menschen im Licht des Evangeliums und in Auseinandersetzung mit den christlichen Werten zum Ziel, damit „sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Joh 10,10) Der bleibende Qualitätsstandard, der durch den Synodenbeschluss gesetzt worden ist, ist das Wahr- und Ernstnehmen der gesellschaftlichen Bedingungen, in denen Jugendliche heute aufwachsen. Nur so können ihre Bedürfnisse erkannt und ihr Zugang zu religiösen Themen offengelegt werden.
Das Forum Jugendpastoral hat 2015 zum 50jährigen Konzilsjubiläum und zum 40jährigen Jubiläum des Synodenbeschlusses diese Grundlagen nochmals in den Blick genommen. Dabei ist der Bezugspunkt „An Jesus Christus Maß nehmen“, denn dieses wird im Synodenbeschluss als Spezifikum der kirchlichen Jugendarbeit dargestellt:
„Die Kirche dient dem jungen Menschen, indem sie ihm hilft, sich in einer Weise selbst zu verwirklichen, die an Jesus Christus Maß nimmt (Phil 2,6-11). Darin unterscheidet sich kirchliche Jugendarbeit von jeder anderen Jugendarbeit.“ (Ziele und Aufgaben kirchlicher Jugendarbeit, 295)
Prof. Dr. Matthias Sellmann zeigte in seinem Vortrag „‚One size fits all‘ – Kriterien zur Orientierung in der Jugendpastoral“ anhand dieser Stelle des Philipperhymnus auf, was das verbindende Ziel von Jugendpastoral und somit aller jugendpastoralen Handlungsfelder sein kann: die Entwicklung bzw. das Angebot zur Entwicklung einer „persönlichen geistlichen Beziehung zu Jesus Christus“ (Sellmann, Matthias: „One size fits all“ – Kriterien zur Orientierung in der Jugendpastoral, Vortrag beim ‚Jugendforum‘ 2015 – Mündliche Vortragsfassung, 2). Geistliche Lebenskompetenz ist für Sellmann eine Form von Lebensgestaltungskompetenz. Als solche ist sie keineswegs exklusiv, auch andere, säkulare Kräfte können dieses Ziel durchaus vermitteln. Typisch jugendpastoral aber ist der Zusatz „geistlich“; er verweist auf das in dieser Form einzigartige Klugheits- und Weisheitsangebot der christlich-jüdischen Tradition, die die Kirche in ihrer Pastoral mit den (jungen) Menschen erarbeiten möchte. Ausgehend vom Philipperhymnus beschreibt Sellmann vier Stadien, die in ihrem integralen Miteinander das pädagogische und politische Ziel einer geistlichen Lebenskompetenz präzisieren:
Geistliche Lebenskompetenz ist die Weise, wie sich kirchliche Jugendarbeit von säkularer Jugendarbeit unterscheidet. Und sie ist die Weise, die Jugendarbeit immer an säkulare Pädagogik bindet. Es geht dem Vorschlag Sellmanns um Akzent und Profil, aber nicht um Überbietung. Wichtig ist weiterhin: In jedem dieser vier Stadien ist geistliche Kompetenz erlernbar. Sie bauen aufeinander auf, aber es gibt keine lineare Steigerung in diesem Modell – Phronesis ist demnach nicht mehr oder besser als Physis: „Entscheidend ist, dass man weiterkommen will: Jeder, der in die Bewegung einsteigt, von einem Schritt zum nächsten zu kommen, lebt bereits im hier vorgelegten Verständnis geistlich. Jedes Feld der Jugendpastoral steht in der Verantwortung, auf seine Weise diese Schrittbewegung zu unterstützen. Das Ziel von Jugendpastoral kann nur sein, klug von einem Schritt zum nächsten zu motivieren, für die Schönheit und die biografische Chance jeder Phase zu werben und hierfür Modelle, Anreize und Ermutigungen zu setzen.“ (Sellmann, Matthias: „One size fits all“ – Kriterien zur Orientierung in der Jugendpastoral, Vortrag beim ‚Jugendforum‘ 2015 – Mündliche Vortragsfassung, 16f.)
Das wichtige an diesen Stadien ist also, dass es nicht immer sofort um religiöse Deutung geht und es erst dann „richtige“ Jugendpastoral ist. Im Gegenteil: Alle Stadien sind für sich genommen gleichwertige Jugendpastoral, da jede auf ihre Weise geistlich ist. Obwohl die Stadien aufeinander aufbauen, ist es nicht besser in einem höheren Stadium zu sein. Vielmehr handelt es sich um eine Art Spiralform, die an jedem Stadium ansetzen kann und nach dem jeweils vierten dann wieder beim ersten anzufangen hat. Denn die Phronesis kann nicht ohne die Physis sein, und die Physis steht in einer inneren Logik, zur Beziehung werden zu wollen – letztlich zur Gottesbeziehung (wie anonym auch immer).